Birgitta Wolf - Nachruf von Marianne Kunisch Zurück zur vorhergehenden Seite Zur Startseite (Übersicht) Weiter zum nächsten Thema

Ich spreche hier als Vorsitzende des Vorstands des Vereins Nothilfe Brigitta Wolf e.V., den Birgitta am 07.07.69 gegründet hat. Sie hatte schon lange vorher Gefangenen Arbeit gemacht und es wuchs ihr langsam über den Kopf und war auch finanziell nicht mehr zu schaffen. Da half ihr Frau Sprenger-Steinmüller, den Verein zu gründen und die Gemeinnützigkeit zu erlangen, um Spenden einzuwerben. Birgitta war darin gut; sie war ja irgendwie ein „Star“ und liebte die mediale Welt und so floss genügend Geld, um Menschen in sozialer Bedrängnis zu helfen.

Ich lernte sie 1975 bei einer Tagung kennen und sie sagte in ihrer üblichen direkten Art zu mir: „Du musst mir helfen, ich brauche eine Rechtsanwältin.“ Sie war so überzeugend, dass ich tatsächlich Mitglied wurde und dann 1979 ihre Stellvertreterin im Verein, deren Vorsitz ich 2000 übernommen habe.

35 Jahre Zusammenarbeit war für mich schön und bereichernd. Lange Jahre kam ich mir immer wie ihre ältere Schwester vor, denn Birgitta war jung in ihrem Herzen und ihrem Entuiasmus und ich hatte häufig die Rolle sie zurück zu halten vor einem meines Erachtens unüberlegten Schritt.

Von Anfang an hat mich beeindruckt wie sie Menschen in ihr Haus aufnahm; Wir Strafverteidiger versuchen immer Distanz zu unseren Mandanten zu halten und sie ließ sie sehr nahe an sich heran. Nicht nur die Obdachlosen, denen sie Bad, Bett und Frühstück gewährte, sondern Gefangene die oft Urlaub bei ihr verbrachten und Entlassene die oft Monate ja Jahre bei ihr wohnten. Das war auch nicht immer unproblematisch, so erinnere ich mich an einen jahrelangen „Katzenkrieg“ und andere Auseinandersetzungen. Aber wesentlich war, dass in kurzer Zeit alle entlassene Gefangenen, sonstige Betreute und Sorgenkinder, Mitarbeiter und Mitglieder der Nothilfe zu einer Großfamilie zusammen wuchsen, denn sie hatte eine große integrierende Kraft und brachte Menschen zusammen.

Weihnachten bekamen dann alle ihren Weihnachtsbrief, den sie immer sehr schön schmückte und sehr persönlich gestaltete. Sie konnte gut schreiben. Denken sie an den schönen Band „Ohne Stern, Weihnachten der Außenseiter“, als sie Gefangene durch ihre persönlichen Weihnachtsbriefe motivierte selbst über ihre Weihnachtserlebnisse zu schreiben. Eine anrührende Sammlung.

Später haben wir dann oft taktische Überlegungen diskutiert. Ich kannte mich bald auch gut in der deutschen Gefängnislandschaft aus und wir erörterten, wie man diesen Gefangenen am besten in ein anderes Gefängnis bringt, wo er seiner Familie näher ist oder jenen Gefangenen in ein Gefängnis bringt, wo er eine Ausbildung machen kann; ob es Sinnvoll wäre, bei einem Hungerstreit das Justizministerium einzuschalten oder ob man lieber die Medien zu Hilfe ruft.

Es hat mich schon sehr traurig gemacht, dass sie sich seit ihrem 90igsten Geburtstag aus dieser Gedankenwelt nach und nach zurückgezogen hat und nun hat sie sich ganz von uns verabschiedet.

Wir werden uns bemühen ihr Lebenswerk weiter zu führen und werden sie im Herzen behalten.